INHALT

EDITORIAL

Inhalt
 

David Boadella

Licht, Heilung und Bewusstsein
 

Fritz-Albert Popp

Bewußtsein als Eigenschaft kohärenter Zustände
 

Peter Wilberg
 

Organismische Ontologie und Organismisches Heilen
 

Peter Freudl

Warum wird Reich nie erwähnt?
 

Egbert Jacoby


 

Zur Imaginativen Psychotherapie und Körperpsychotherapie bei prä- und perinatalen Traumen
 

Gisela Wallbruch

Der Internationale Kongress für Embryologie, Therapie und Gesellschaft
 

Buch-
besprechungen

Peter Geißler:
1.) Psychoanalyse und Körper
2.) Über den Körper zur Sexualität finden

Tilmann Moser:
Dämonische Figuren. Die Wiederkehr des Dritten Reiches in der Psychotherapie.

Hanspeter Ruch:
Unsere Geschichte – unser Potential

Peter Geißler:
Mythos Regression
 

 

 

Editorial

 

 

Von:
David Boadella
Silvia Specht Boadella
Gisela Wallbruch

 

 

 

 

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

die diesjährige Sommerausgabe von Energie & Charakter vertieft eine Reihe wichtiger biologischer, psychodynamischer, philosophischer, existentieller und sozio-politischer Themen, die für die (Körper-) Psychotherapie und ihre Anwendungen von einiger Bedeutung sind.
 

Es ist uns eine besondere Freude, die leicht gekürzte Fassung des Vortrags von Prof. Dr. Fritz-Albert Popp ‘Bewusstsein als Eigenschaft kohärenter Zustände’ zu veröffentlichen, den dieser anläßlich des Biosynthese-Kongresses im Oktober 2001 in Zürich gehalten hat. Popp stellt fest, dass der uns so sehr geläufige Begriff ‘Bewusstsein’ bis heute noch keine Definition gefunden hat und versucht, dies nachzuholen aus der Perspektive seiner Biophotonen-Forschungen und den daraus resultierenden Folgen für das Bewusstsein. Wie David Boadella in seinem Einführungstext ‘Licht, Heilung und Bewusstsein’ dazu ausführt, beschreibt Popp, dass materielle und energetische Manifestationen Ausdruck ‘potentieller Information’ sei, und dass diese potentielle Information auf einer tieferen Ebene der Organisation Züge aufweist, die mit dem korrespondieren, was wir unter Bewusstsein verstehen.
Mit seinen Ausführungen trägt Popp Boadella zufolge zur Heilung der cartesischen Spaltung bei und erfüllt den Traum von Descartes: eine natürliche Brücke zwischen der äußeren Welt (res extensa) und der Welt des Bewusstseins (res cogitans) zu finden. Popp zeigt dabei auf, dass jedes Organ des Körpers, jedes Gewebe, jede Zelle beides ausdrückt: tatsächliche (aktuelle) Information und potentielle Information und dass diese beiden komplementäre Quantenaspekte des Lebens sind. Leben, als organisierte Komplexität verstanden, drückt ein grundlegendes Merkmal des Universums aus.
 

 

 

Aus der Sicht von Peter Wilberg stellt ‘Organismische Ontologie und organismisches Heilen’ eine wichtige Grundlage für die somatische Psychotherapie dar. Dabei verweist er darauf, dass Teile der psychoanalytischen Community bereits seit längerem beginnen zu verstehen, wie wichtig die Fähigkeit eines Analytikers ist, Eindrücke auf sub-symbolischer, somatischer Ebene nicht nur zu empfangen, zu registrieren und auf sie zu reagieren, sondern darüber hinaus auch eine organismische Sensibilität zu entwickeln, die in der eigenen organismischen Empfänglichkeit oder Wahrnehmung begründet ist. Organismische Wahrnehmung ist dabei eine Art ‘morphische Resonanz’ (nach Sheldrake) bzw. eine Art ‘vegetative Identifikation’ (nach Boadella) – eine Fähigkeit zur aktiven organismischen Sensibilität, die Gebrauch macht von der dem menschlichen Organismus innewohnenden Fähigkeit zur mimetischen Beweglichkeit, der Fähigkeit, von der Musik eines anderen Menschen gespielt zu werden und in Resonanz mit dieser Musik seine eigene Gestalt und seine Gefühlstöne zu ändern. ‘Organismische Ontologie’ ist nach Wilberg eine Synthese der Reich’schen Orgonomie mit ihrem Schwerpunkt auf der Bioenergetik des menschlichen Körpers und Heideggers Ontologie mit dem Leib als sich leibendem Wesen oder Dasein im Mittelpunkt.
 

 

In seinem mutigen Artikel ‘Warum wird Reich nie erwähnt?’ beleuchtet Peter Freudl die sozio-politischen Umstände, die dazu führten, dass Wilhelm Reich aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV) ausgeschlossen wurde. In dieser ausgezeichneten historischen und psychopolitischen Forschungsarbeit verdeutlicht er in verdichteter Form, wie seinerzeit der Vernichtungs-, Diffamierungs- und Pathologisierungsprozess systematisch seitens medizinischer und psychotherapeutischer Gruppierungen betrieben wurde mit dem Ziel, sich des für sie äußerst unbequemen antifaschistisch eingestellten Mannes zu entledigen.
Als wesentliche Gründe für den Ausschluss Reichs aus der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft DPG und (damit aus der IPV) und dessen anschließende Flucht und Vertreibung macht Freudl zum einen das fast pathologische Beziehungsverhalten Freuds gegenüber seinen engsten genialen Schülern aus, zum anderen aber im ganz besonderen Maße die prominente Position Reichs als einer der schärfsten Kritiker des aufkommenden Nationalsozialismus; ein Faktum, das für die gesamte psychoanalytische Bewegung zur unmittelbaren Gefahr zu werden drohte. So wurde der Sozialrevolutionär Reich zum ‘Turmopfer’, mit dem Psychoanalytiker den neuen Machthabern ihre ernsthafte Bereitschaft zur Kooperation signalisierten und damit den Erhalt ihrer eigenen Institutionen zu retten trachteten. Das Traurige an der Sache ist, dass die Nachkriegs-Psychoanalyse Jahrzehnte gebraucht hat, um Licht in das während der Kriegszeit Verdunkelte zu bringen, weil (ähnlich wie in Mediziner- und Juristenkreisen) die dafür Verantwortlichen, die in der Nachkriegszeit Karriere machten, verstarben und damit die Archive geöffnet werden konnten, die zuvor verschlossen blieben. In seinem Versuch einer Antwort auf Laings Frage wagt Freudl eine systemische Hypothese, der zufolge es ihm scheint, als stünde Reich sozusagen im Zentrum des Traumas, das der Nationalsozialismus für die Psychoanalyse war. Und dieses Trauma ist bis heute nicht gelöst. Die Auflösung des Traumas erfordere jedoch die Rücknahme der Vernichtungsaktion gegen Reich als des zentralen Opfers der Täterschaft der psychoanalytischen Gemeinschaft während des Nationalsozialismus.
Bis heute werden darüber hinaus (nach Boadella) die auf dem Reich’schen Gedankengut basierenden energetischen Konzepte sowohl von den meisten Vertretern der Psychoanalyse als auch von wichtigen analytischen körperpsychotherapeutischen Ausrichtungen abgewertet oder sogar stringent geleugnet.
Wilhelm Reich kann heute als Mann gewürdigt werden, der die besten Traditionen der Psychoanalyse in sich verkörperte und mutig und oft unter erheblicher Gefährdung seiner privaten und beruflichen Existenz für diese Tradition einstand. Von geradezu historischer Bedeutung ist, dass die Psychoanalyse sich gerade in dem Moment von einem ihrer prominentesten Vertreter distanzierte, als dieser dabei war, die cartesische Spaltung von Körper und Geist zu überwinden und die dialektisch bestimmte psychosomatische Einheit des Menschen theoretisch und praktisch zu erkunden.
 

Wie die meisten unserer Leserinnen und Leser mitbekommen haben, hat im Mai 2002 der ‘Internationale Kongress für Embryologie, Therapie und Gesellschaft’ in den Niederlanden stattgefunden, an dem rund 120 Referentinnen und 1.200 Teilnehmerinnen partizipierten. Neben einem kurzen Kongressbericht in dieser Ausgabe werden 2 weitere Artikel von David Boadella und Hans Krens in den kommenden Ausgaben von Energie & Charakter veröffentlicht werden.
 

 

 

Den Anfang machen wir mit dem Artikel ‘Zur Imaginativen Psychotherapie und Körperpsychotherapie bei prä- und perinatalen Traumen’ von Egbert Jacoby, der den Text mit Blick auf diesen Kongress geschrieben hat. Wir halten den Artikel insofern für bemerkenswert, als über prä- und perinatale Traumen bei Erwachsenen und deren therapeutische Behandlung bisher nur wenig Literatur zu verzeichnen ist. Diese Art von Traumen lassen sich nämlich in der (Körper) Psychotherapie nur schwer erkennen, handelt es sich in der Regel doch um Klienten, die in ihrem Leben einerseits äußerst gut funktionieren können, andererseits aber über erhebliche Ausfallerscheinungen klagen (sie möchten ihre ‘irrationale’ Seite in den Griff kriegen). Der Artikel soll die Augen dafür öffnen, dass wenn diese Art von Traumen nicht erkannt werden, Klienten unter Umständen unnötigerweise jahrelang in Therapie gehalten werden, ohne dass es zu sicht- und spürbaren Verbesserungen für den Klienten kommt – eine unbefriedigende Arbeit sowohl für den Therapeuten als auch für den Klienten. Vielen dieser Klienten wird zudem all zu gerne eine (nicht vorhandene) Borderline- oder Narzissmuss-Störung verpaßt, für deren Behandlung es eh sehr wenig Experten zu geben scheint.
 

 

Da die meisten Vorträge auf dem EABP-Kongress von Egmont (Konflikt in Systemen – Systeme in Konflikt) im vergangenen Jahr in englischer Sprache gehalten wurden, werden wir eine ausführliche Kongress-Berichterstattung in der kommenden Ausgabe von Energy & Character (Nr. 32.1) veröffentlichen.
 

Wir freuen uns nach wie vor über konstruktiv-kritische Kommentare und Anregungen zum Inhalt dieser Ausgabe wie auch zu den einzelnen Beiträgen und wünschen Ihnen eine gute Sommer-Lesezeit.
 

 

 

 

©IIBS  Stand: August 2002.
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